Manchmal wil man das, was in den die Medien verbreiten einfach nicht glauben.
Diesmal geht es um eine Studie die Gründe für Frühpensionierungen untersucht. Psychische Erkrankungen seien immer häufiger Anlass für Invalidität. Besonders bei Frauen, nämlich fast 50%.
Professoren und Experten analysieren das Datenmaterial und kommen zu dem Schluss, dass Frauen stärker belastet seien, weil sie häufiger in sozialen oder pflegerischen Berufen arbeiten und weil sie die Doppel – und Dreifachbelastung von Familie, Beruf und Privatleben zu tragen haben, während Männer das Familienleben eher als Ausgleich empfinden. Wie dem auch sei, laut der Studie werden Frauen eher depressiv, Männer greifen zum Alkohol und der nächste Schritt führt in die invaliditätsbedingte Frührente – aus psychischen Gründen.
Mich hat interessiert, wie viele Menschen hierzulande in Frührente gehen. Das Ergebnis hat mich überrascht:
‚Vier von zehn Männern und eine von drei Frauen gehen als Invalide in die Rente. Über beide Geschlechter hinweg sind es 37,8 Prozent. Im Alter von 55 bis 59 gibt es in keinem anderen europäischen Land auch nur annähernd so viele „invalide“ Pensionisten wie in Österreich.‘
Jeder dritte Angestellte wurde 2005 aufgrund einer psychischen Erkrankung frühpensioniert. Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich die Zahl der aufgrund psychischer Belastungen nicht mehr Arbeitsfähigen fast verdoppelt. Jeder vierte Angestellte geht aufgrund einer Erkrankung des Bewegungsapparats vorzeitig in den Ruhestand.
Erkrankungen des Bewegungsapparates haben zumeist psychische Ursachen, man kann sie also getrost hinzuzählen.
Ein erschütterndes Bild, finden Sie nicht ? Wie kann es sein, dass eine 38,5 Stundenwoche Menschen scharenweise in die Invalidität schickt? Wie kann es sein, dass Menschen mit relativ geringen Bezügen lieber aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, als sich weiterhin aktiv, mit all ihren Erfahrungen und dem Wissensschatz einer jahrelangen Berufstätigkeit einbringen ? Wie kann es sein, dass offizielle Stellen, Interessengruppen und die Medien dazu hartnäckig schweigen ?
Offensichtlich macht uns Erwerbsarbeit, wie sie derzeit organisiert ist, krank und zwar in einem Ausmaße, das an eine Epidemie denken lässt. Jeder 3. Angestellte wegen einer psychischen Erkrankung frühpensioniert, Tendenz steigend ? Eine von 3 Frauen geht als Invalide in die Rente ? Und alles nur, weil sie Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut bringen will ?
Denkt denn niemand nach ? Fällt denn niemanden etwas auf ?
Wollen wir wirklich so leben ?
Was ich mir wünsche ist Ehrlichkeit und Mut für ein rigoroses Aufdecken der Kausalität. Niemand ist schuld. Niemand (!) ist schuld. Weder die Arbeitgeber, noch die Arbeitnehmer, noch der Staat, noch die Wirtschaft. Jeder tut sein bestes, aber irgendwie hat uns die Realität überholt und das, was vor zwanzig Jahren noch gültig war, hat längst ausgedient und muss dringend revidiert werden. Was sich nicht geändert hat ist, dass Menschen sich sinnvoll betätigen wollen, Freude an Kreativität und Kooperation haben und ihr Wissen und ihre Talente in den Arbeitsprozess einbringen möchten. Und noch etwas – wenn die Systeme nicht mehr passen, muss man diese an die neuen Gegebenheiten anpassen, aber nicht die Menschen in die alten Systeme zwingen.
Bedingungen, die für fast die Hälfte der Arbeitnehmer derartig gesundheitsschädlich sind, sodass sie invaliditätsbedingt in die Frühpension gehen müssen, sind jedenfalls keine Lösung, mit der ich gesellschaftspolitisch einerstanden bin. Genauso wenig wie ich einverstanden bin mit den lauen Erklärungen der Experten, die nicht mal an der Oberfläche des Problems kratzen, sondern lieber mit bekannten Allgemeinplätzen wie Doppelbelastung oder Zunahme der psychischen Erkrankungen argumentieren.
Wir alle sehen, dass etwas nicht stimmt. Oder ?