Der Schmerz von nebenan

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In meinem letzten Beitrag habe ich über Mitgefühl gesprochen.

„Was ist Mitgefühl eigentlich genau“  wurde ich gefragt.

Das ist eine wichtige Frage, denn es besteht tatsächlich eine gewisse Begriffsverwirrung über so wichtige non-verbale Kommunikationsfähigkeiten wie „Mitleid“, “ Empathie“ und „Mitgefühl“. Ich möchte also einen kleinen Ausflug in unsere Gefühlswelt wagen, um ein wenig Klarheit zu verschaffen. Ich möchte anmerken, dass wir diese Begriffe oft synonym verwenden, doch eine exakte Formulierung kann uns helfen, die tatsächliche Ebene des Gefühlsaustausches zwischen Menschen aufzuspüren und nachzufühlen.

Bei keinem der Begriffe handelt es sich um eine Emotion. Mitleid bezieht sich auf die Fähigkeit den Schmerz oder das Leiden eines anderen zu empfinden, ohne dass man die damit verbundenen Gefühle in ihrer ganzen Tragweite körperlich zu spüren bekommt. Mitleid kommt auf, wenn man die eigene Erfahrung einsetzt, um das Erleben des anderen nachzuvollziehen. Man kann sich vorstellen, wie schlimm es sein muss, jemanden zu verlieren, an einer Krankheit zu leiden oder in einer schwierigen Lebenskrise zu sein und aus diesem Wissen heraus, ist man motiviert zu helfen. Man nennt Mitleid auch „den Schmerz von nebenan“ und das Bedauern ist ein Teil davon.  Oft lehnen Menschen Mitleid ab, weil sie sich durch diese Diskrepanz unterlegen fühlen.

Empathie wiederum ist die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen. Einfühlungsvermögen ist eine gute Übersetzung dieses Wortes, das ein Gegenteil hat – Apathie, das  für Unempfindlichkeit und Teilnahmslosigkeit steht. Empathie ist ein unbewusster Vorgang, der  sowohl die Gefühlsebene als auch kognitive Zentren in der Großhirnrinde mit einbezieht. Dieses „sich hineinversetzen können“  ist eine Funktion der sogenannten Spiegelneurone, die gleich reagieren, egal ob man den Schmerz nun selbst erfährt, oder ihn bei anderen wahrnimmt.  Es ist eine wichtige Fähigkeit, andere über die Sinneseindrücke hinaus in ihrer Gesamtheit, inklusive der Gefühlswelt und Emotionalität, wahrzunehmen. Menschen die Empathie haben, sind gute Kommunikatoren, da sie sich gut auf Ihr Gegenüber einstellen können.

Das echte Mitgefühl geht aber selbst darüber hinaus. Es beschreibt die Bereitschaft den  Schmerz und das Leid des anderen wahrzunehmen. Im Mitgefühl wird nicht nur das  emphatische Einfühlungsvermögen gezeigt, sonder der  Gefühlszustand des anderen wird vorbehaltlos, als wäre es der eigen, wahrgenommen. Offenheit, ohne Angst und Vorurteil lässt Mitgefühl aufkommen und wir helfen ohne groß nachzudenken, spontan und ohne auf den eigenen Vorteil zu achten. Dieses Mitgefühl ist ein Ausdruck von Liebe.

Und hier liegt der Unterschied. Mitleid, aber auch Empathie setzen Grenzen. Das Mitgefühl überwindet diese und erlaubt Menschen ihrer wahren Natur Ausdruck zu geben. Mitgefühl kennt kein Bedauern, weil es den Betroffenen und den Mitfühlenden auf eine Stufe stellt. Mitgefühl kommt von selbst, wenn man einfach auf den anderen zugeht, alle Ideen, Verurteilungen oder  Vorurteile beiseite lässt und einfach fragt “ Kann ich Dir helfen“.

Beobachten Sie sich einmal selbst. Wenn man ein weinendes Kind sieht, ist es ein Instinkt hinzugehen und es zu trösten. Egal ob es das eigene ist, oder nicht. Aber bei einem Freund, einen Bekannten oder Kollegen fällt das schon schwerer. Wir glauben, dass diesem unsere Anteilnahme vielleicht unangenehm ist. Und das mag stimmen, wenn Mitleid im Spiel ist. Mitleid, das davon ausgeht, dass einer Glück hat und der andere Pech – und völlig übersieht, dass man nur ‚Glück‘ haben kann, wenn ein anderer das ‚Pech‘ auf sich nimmt.

Mitleid reagiert auf den Schmerz von nebenan. Empathie nähert sich an. Doch Mitgefühl kennt keine Unterschiede, nimmt alles an und weist nichts zurück.

Dr.Michaela Trnka ist Ärztin, Mentor und Wegweise. Sie beschäftigt sich mit der ganzheitlichen Lösung von Stress und Burn-Out. Weitere info auf www.aesculini.com

Kann ich Dir helfen ?

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Es vergeht kein Tag an dem mich nicht jemand fragt, wie man Menschen im Burn-Out helfen kann. Meist handelt es sich um Kollegen, Bekannte, Freunde oder Freunde von Freunden.

Hier ist mein Rat: Zeigen Sie Mitgefühl.

Ein Mensch, der sich in der Spirale eines Burn-Outs befindet braucht vor allem eines – das Gefühl nicht alleine zu sein. Stellen sie sich vor, sie wachen aus einem bösen Traum auf, sind desorientiert und verzweifelt. Sie wissen nicht weiter sind vor Angst gelähmt. In einem solchen Moment brauchen wir nur das Gefühl gehalten zu werden.

Das Burn-Out ist keine Krankheit, keine psychische Störung und schon gar kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zustandsbild, ein Syndrom, das viele Ursachen hat. Eine davon ist ein Verlorengehen in der Welt der Gedanken und reaktiven Glaubensmustern,  ein getrennt sein von der stabilisierenden, erdenden Kraft des Körpers. Menschen im Burn-out leben im Kopf und nehmen die Signale des eigenen Körper nicht wahr.

Ein Mensch mit Burn-Out braucht Halt. Er braucht keine Medikamente, Psychopharmaka oder gute Ratschläge. Er braucht Wärme, Berührung und Ruhe um wieder zu sich zu finden. Es ist wie das Erwachen aus einem Albtraum. Viele haben Angst, da sie sich buchstäblich am Abgrund sehen. Das ist eines der Symptome und weist auf den Mechanismus des Burn-Outs hin, das mit Identität zu tun hat. Dieser Angst kann man am besten begegnen, indem man den betreffenden Menschen dazu anleitet auf seinen Atem zu achten oder mit den Handflächen die Oberschenkel reiben. Dies bringt sie wieder in den Körper und lenkt von der Angst ab.

Es ist wichtig im Moment zu bleiben.

Dies ist auch ein wichtiger Ratschlag für alle die helfen wollen. Ein Mensch im Burn-Out weiß oft instinktiv was er braucht und kommuniziert das auch. Es gibt keine Standardtherapie oder Vorgehen, da jeder Mensch anders ist und für unterschiedliche Ansätze oder Methoden zugänglich.

Also fragen Sie ganz einfach: „Kann ich Dir helfen ?“  Und dann warten Sie auf die Antwort. Nur Zuhören, selbst wenn nichts gesagt wird. Keine Ratschläge, keine Vergleiche, keine Anekdoten, keine Hilfsaktionen – nur ein ernst gemeintes, aufrichtiges

„Kann ich Dir helfen?“

Dr.med. Michaela Trnka ist Ganzheitsmedizinerin und spezialisiert auf Stressmedizin. BurnOut bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der individuell verschieden ist. www.aesculini.com

Faul & Glücklich

Das Profil widmet seine Titelstory diese Woche dem Phänomen Burn-out. „Chill dein Leben“ betitelt die Autorin ihren Beitrag und besingt ein wenig unsicher, aber bestärkt durch angesehene Kapazitäten, das hohe Lied des – Müßigganges, das sie als „Strategie gegen Burn-Out anzupreisen weiß.

Immerhin ein Schritt zur Lösung der „Phantom-epidemie“, von der fast jeder direkt, zumindest aber indirekt betroffen ist, die aber in keinem Diagnosemanual oder Lehrbuch zu finden it.

In meinem letzten Beitrag habe ich die Frage gestellt, ob niemanden etwas auffällt. Er bezog sich auf eine Presse-aussendung der Wiener Ärztekammer, die von 2 Millionen betroffenen und/oder gefährdeten Österreichern im erwerbsfähigen Alter sprach. Früher hat die Pest und die Tuberkulose die Leute reihenweise dahingerafft, heute ist es eine Erkrankung, die gar keine ist und für die sich niemand wirklich zuständig sieht. Das wird ja auch verständlich, wenn man davon ausgeht, dass bereits ein Viertel der Bevölkerung in einem der vorbildlichsten Sozialstaaten der Welt, der überaus wohlhabend ist und sich durch seine Schönheit und Bewusstsein für Natur und Natürliches hervortut, von einer mysteriösen Malaise betroffen ist, die es angeblich nicht gibt, aber in ihrer Auswirkung die Arbeitsleistung massiv und empfindlichst  reduziert (stellen Sie sich vor jeder 4. Kollege fällt aus) und somit direkt die Wirtschaftsleistung und das heilige Bruttosozialprodukt, das unser aller Wohlergehen definiert.

Als es die Pest gab, konnte zumindest jeder die Beulen sehen und es war eindeutig die Troika Arzt, Priester, Totengräber dafür zuständig.

Aber heute ? Ach du lieber Augustin…

Heute übernehmen die Medien die Rolle der Gesundbeter und erzählen den Menschen, dass Burn-Out eine Phantomkrankheit ist, an der sie im Prinzip selbst schuld sind. Zu schwach, nicht kommunikationsfähig, beziehungsunfähig, persönlichkeitsgestört, süchtig, abhängig, unfokussiert, zu wenig motiviert, nicht anpassungsfähig, nicht modern, nicht stark, nicht tough – eben einfach nicht…cool und chillig.

Chill dein Leben.

Was ich an diesem zwar wohl gemeinten, aber irgendwie hilflosen Beitrag so liebe und was mir soviel Hoffnung gibt, ist das Titelbild und seine Symbolik, das mehr über den kausalen Lösungsansatz sagt, als ganze Bücher zum Thema “ Nichts geht mehr, aber es muss“ – Strategien gegen Burn-Out“.

Auf diesem Bild sitzen ein Mann und eine Frau Rücken an Rücken. Beide im unschuldigen Weiß gekleidet. Sie wirkt entspannt, hat die Augen geschlossen, lehr sich an seine Schulter. Er wirkt ein wenig sorgenvoll, in der Denkerpose. Faul & Glücklich sagt die Überschrift. Und so scheint es wahrhaftig. Das entspannt ruhende weibliche Prinzip macht es vor – relax. Vergiss die Sorgen und lass die Probleme sein. Heute ist heute.Wir sind da, wir haben uns, wir haben gegessen, getrunken und ein Dach über dem Kopf. Das reicht doch im Moment, oder ? Das gestresste männliche Prinzip runzelt die Stirn – aber was wird, wenn…scheint er zu fragen. Relax sagt sie. ich bin ja da und hast du dir schon mal überlegt, dass du gar nichts tun musst um zu atmen ?

Genau. Für’s Überleben ist gesorgt.

Fällt niemandem etwas auf ?

Die Wiener Ärztekammer schlägt Alarm: Laut einer Presse-aussendung sollen bereits 500,000 Menschen an einem behandlungsbedürftigen Burn-Out Syndrom leiden und ganze 1,5 Millionen Menschen gefährdet sein auszubrennen.

Das sind insgesamt 2 Millionen Menschen, die vom Burn-out betroffen sind.

Österreich hat eine Einwohnerzahl von 8,4 Millionen. 62 % oder 5,2 Millionen sind im arbeitsfähigen Alter zwischen 15-60 Jahren. Wenn wir also annehmen, dass das Burn-Out vor allem die im Arbeitsprozess stehende Bevölkerung betrifft, sind dies fast 40%.

Das heißt 4 von 10 leiden unter den Symptomen eines Burn-Out.

Stress sei im modernen Europa nach Rückenschmerzen das zweithäufigste gesundheitsbedingte Problem, sagt eine weitere Expertin in der Aussendung. Dazu möchte ich zu bedenken geben, dass Stress der häufigste Auslöser für Beschwerden des Bewegungsapparates ist, womit Stress als wirtschaftlicher Faktor eine noch größere Bedeutung zukommt. 2,8 Milliarden Schaden, berechnet eine Schweizer Agentur (für Österreich gibt es keine genauen Zahlen).

Ich beschäftige mich seit langem mit dem Phänomen Stress und Burn-Out und ich stelle immer wieder die Frage: Fällt niemandem etwas dabei auf ?

Gesundheit hängt nicht so sehr von den äußeren Bedingungen, als von der inneren Bereitschaft zur Anpassung an die Gegebenheiten des Lebens ab. Stress entsteht immer dann, wenn ein Konflikt zu Widerstand und Ablehnung führt. Oft sind dies unbewusste Vorgänge, die man über lange Zeit kompensieren kann, die aber irgendwann zu Beschwerden ( wie zB Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme oder Hochdruck) führen. Es stimmt sicherlich, dass ein gesunder Lebensstil (Entspannung, Bewegung, Ernährung) zum Wohlbefinden beitragen kann, aber diese Faktoren sind nicht die Ursache für Stress und Zivilisationserkrankungen.

Oft wird die Ursache im Zeitdruck, der Überbelastung und mangelnden Motivation geortet. Es stimmt sicherlich, dass bedingt durch die wirtschaftliche Situation, die Arbeitsbelastung des Einzelnen zugenommen hat. Aber ist viel Arbeit ein Grund dafür auszubrennen ?

Stellen Sie sich vor, sie tun genau das, was sie am Liebsten machen. Etwas das Ihren Talent, Ausdrucksmöglichkeit und Kreativität entspricht. Egal ob Gärtnern, Kochen, Spazieren gehen, Lesen. Menschen helfen, Unterrichten, Malen, Reisen oder Tischlern. Sie tun das, in dem sie ganz aufgehen und die größte Befriedigung finden. Würde Ihnen das Energie geben oder rauben ?

Wir leben in einer Zeit in der sich vieles ändert und das Alte oft gar keine Sinn macht. Trotzdem versuchen wir die bestehenden Systeme aufrecht zu halten, weil wir sie kenne und sie uns das Gefühl der Sicherheit geben. Denn was für den Menschen oft unerträglich ist, ist die Angst vor dem Unbekannten.

Wo soll das alles hingehen ? Was wird morgen sein, nächste Woche, nächstes Jahr ?
Wir alle haben diese unbewussten Ängste und wir alle spüren den Druck der Veränderung. ich vergleiche das Leben gerne mit einem Fluss. Dieser läuft oft gemächlich, langsam – aber dann auch wieder ungestüm und rau, da gibt es Stromschnellen, Strudel und scheinbar gefährliche Momente. In so einer Situation neigen wir dazu uns festzuhalten, doch der Fluss des Lebens bewegt sich unaufhaltsam vorwärts – und reißt uns mit.

Menschen die sich neuen Gegebenheiten anpassen können, haben es hier leichter. Aber man kann von Ihnen lernen und an ihrer Entwicklung sehen, dass Situationen, die oft wie eine Katastrophe aussehen – wie zB Jobverlust – auch der Ausgangspunkt für etwas Neues oder Befriedigenderes sein kann.

So ist meine Frage zum Burn-Out Syndrom folgende: Wieso glauben wir eigentlich, dass es sich hier um eine psychische Störung oder Erkrankung handelt ? Vielleicht ist es eine gesunde Reaktion eines Organismus, der nicht mehr gehetzt, geschunden und gejagt werden will ? Unter übermenschlichen Willensanstrengungen sich an ein System anzupassen, das schon längst nicht mehr passt ? Und wir alle wissen es….

Menschen im Burn-Out haben den Kampf gegen sich selbst aufgegeben und die Phase der Ruhe (bedingt durch Erschöpfung und Energieverlust) erlaubt es Ihnen sich wieder zu regenerieren. In dieser Phase gibt es wenig Widerstand gegen neue Einsichten und Weisheit. Man lernt Kopf und Körper wieder zusammenarbeiten zu lassen und findet zur Mitte zurück.

Mein Plaidoyer ist das Burn-Out nicht als Geißel oder Zeichen der Schwäche, sondern als Signal zu betrachten endlich stehen bleiben zu dürfen, Atem zu holen und umzudrehen.

Zu sich selbst.

Kurzvortrag über Stress und Gesundheit bei “ Laut und Leise“

Dr. Michaela Trnka hat sich lange mit Stressmedizin beschäftigt und arbeitet INTENSIV mit Menschen, die Burn-Out als Chance betrachten, „um-zu-leben“ und wieder zu sich selbst und ihrer eigenen Bestimmung zu finden.

Siehe auch: www.aesculini.com